Drei erste Preise und vier Sonderpreise wurden vergeben – die Laudationes übernahmen die Jury-Mitglieder, darunter auch die Staatssekretärin des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, Anne Janz, die den Preis schon einige Jahre begleitet und die Bedeutung von Nachhaltigkeit auch in der Sozialen Arbeit betont: „Die in diesem Jahr mit dem Hessischen Elisabeth-Preis ausgezeichneten Projekte und Initiativen zeigen, wie viele Menschen im Land die Zeichen der Zeit mit Blick auf Klimawandel, Energiekrise und die sozialen Folgen längst erkannt haben – und sie beweisen, dass ökologischer und sozialer Fortschritt ganz wunderbar Hand in Hand gehen können.“
Zum ersten Mal bei der Verleihung des Sozialpreises mit dabei war der neue Geschäftsführer von LOTTO Hessen, Martin Blach. „Es ist LOTTO Hessen und mir persönlich ein großes Anliegen, diejenigen zu ehren und auszuzeichnen, die sich zur Überwindung gesellschaftlicher Probleme einsetzen; deshalb haben wir gemeinsam mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege 2017 den Hessischen Elisabeth-Preis für Soziales ins Leben gerufen. Die heutige Verleihung rückt die diesjährigen Preisträger in den verdienten Fokus der Öffentlichkeit und schafft so hoffentlich viele weitere Nachahmer – für ein Stück mehr soziales Miteinander von morgen.“
Vier Sonderpreise, dotiert mit je 2.000 Euro gehen an folgende Projekte:
WAPFL – Von der Wabe zum Apfel I St. Elisabeth Verein e.V./OIKOS Sozial- und Teilhabezentrum (Schwalmstadt)
Das Projekt gibt es seit dem Frühsommer 2021. Ziel ist, Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit zu geben, an Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Natur teilzuhaben und aktiv daran mitzuwirken. Dazu bewirtschaftet der Verein ein Grundstück mit Streuobstwiese, Blühfläche und einem Naturteich. Die Kenntnisse zur Bewirtschaftung der Fläche werden von engagierten Menschen aus dem Sozialraum unterstützt. Bei dem Projekt arbeiten Menschen mit chronischen Beeinträchtigungen wie Angststörungen, Depression, Schizophrenie oder Suchtmittelabhängigkeit zusammen – mit viel Engagement und Herzblut. Die Jury lobte hier den niedrigschwelligen Zugang für beeinträchtigte Menschen mit der Verknüpfung vieler sozialer und ökologischer Nachhaltigkeitsziele. Zudem ist die Idee sehr gut übertragbar.
ada_kantine / Solidarische Küche I Initiative Zukunft Bockenheim eV (Frankfurt)
In der ada_kantine kocht ein Kernteam von Ehrenamtlichen für bis zu 200 Menschen täglich von Freitag bis Montag eine warme vegetarische Mahlzeit. Jede Woche werden mehr als 100 Kilo geretteter Lebensmittel verarbeitet mit dem Ziel, Gästen, die sich keinen Restaurantbesuch leisten können, ein gesundes Essen anzubieten. Die ada_kantine richtet sich an alle Menschen in Bockenheim, das Preissystem ist solidarisch gestaltet. Das Projekt entstand während der Pandemie im Sommer 2020 als Initiative vieler Nachbar*innen. Eine leerstehende Kantine der ehemaligen Akademie der Arbeit in Frankfurt konnte gewonnen werden. Das Team der Ehrenamtlichen hat im Jahr 2021 20.000 Gäste bewirtet und einen Ort geschaffen, an dem Vielfalt und ein soziales Miteinander gelebt wird. Mit dem Preisgeld sollen weitere Angebote wie gemeinsame Kochaktivitäten, Ausflüge oder gemeinsames Gärtnern ermöglicht werden. Der Jury gefällt an diesem Projekt die gelungene Verbindung von nachhaltiger Verwendung von Lebensmitteln in Kombination mit gemeinschaftlichem Essen für alle Bevölkerungsgruppen. Die große Anzahl von Menschen, die bei der ada_kantine essen, ist herausragend.
Der Schatzgarten – dein Abenteuer in der Marburger Natur I Glaubenshof Cyriaxweimar e.V. (Marburg)
Seelische Armut zu beenden und das Leben an Land zu fördern, hat sich der Glaubenshof Cyriaxweimar e. V. zum Ziel gesetzt. Der Verein bewirtschaftet einen Bio-Hof mit Beeten, einem Gewächshaus, Pferdepension, Wiese und einem größeren befestigten Platz. Im April 2021 kam auf 200 m² der Ackerfläche ein sogenannter Schatzgarten dazu. Hier gestalten und bewirtschaften psychisch erkrankte Menschen in einer therapeutischen Lebensgemeinschaft das Gelände und finden zu einem selbstbestimmten Alltag zurück. Die Pflege des Schatzgartens ist für die Menschen sinnstiftend und gibt Struktur sowie Begegnung mit weiteren Besuchern*innen, da der Schatzgarten öffentlich zugänglich ist. Diese Öffnung für Alle hat der Jury sehr gut gefallen. Der Hof steht als Ausflugsziel oder für private Veranstaltungen allen offen; es können naturnahe Workshops oder Bildungsangebote angeboten werden.
Arithmico – Der barrierefreie wissenschaftliche Taschenrechner I Lennard Behrens / Blista (Marburg)
Ein Taschenrechner ist in Schule, Studium oder Ausbildung heute nicht mehr wegzudenken. Sehbehinderte Menschen haben bisher kein Produkt, dass sie barrierefrei nutzen können. Hier schließt nun das Projekt Arithmico diese große Lücke. Arithmico ist ein Projekt von Betroffenen für Betroffene. Initiator und Informatik Student Lennard Behrens hat – mit Unterstützung durch ein Projektteam von Blista-Mitschüler*innen (Blindenstudienanstalt) – eine barrierefreie Software entwickelt. Arithmico ist eine Web-Anwendung, die sowohl online als auch offline (z. B. in Klausuren) funktioniert. Sie kann auf verschiedenen Endgeräten (PC, Laptop, Tablet, Smartphone) benutzt werden, es handelt sich um eine open Source Software, damit möglichst viele Mitwirkende beteiligt werden können und profitieren. Das Projektteam möchte zusätzliche Erweiterungen vornehmen, da die Nutzungsbedingungen von Taschenrechnern durch die Kultusministerien in jedem Bundesland variieren. Auch ist die weitere Verbreitung über Deutschland hinaus geplant. Das Projekt ist außergewöhnlich und hat die Jury zu einem Sonderpreis bewogen. Arithmico ist nachhaltig und steht für Inklusion und Innovation im technischen Bereich.
Die drei ersten Preisträger des HEPS 2022 sind:
3. Platz (5.000 Euro)
Unser Umsonstladen I Zusammen in der Postsiedlung e.V. (Darmstadt)
In der Zeit des Lockdowns wegen Corona 2020 entstand die Idee bei den Projektverantwortlichen: Viele Leute haben Dinge, die sie nicht mehr gebrauchen können oder wollen. Diese liegen oft nutzlos herum, denn „eigentlich sind sie zu schade zum Wegwerfen“. Andere Menschen wiederum suchen vielleicht genau diese Dinge, können sie sich vielleicht nicht leisten, oder müssen Geld dafür ausgeben. Der Umsonstladen wurde der Ort dafür! Wenn Dinge noch gebrauchsbereit und in Ordnung sind, können sie einfach im Umsonstladen vorbeigebracht werden. Geld gibt es im Umsonstladen nicht. Hier ist ein lebendiger Treffpunkt im Quartier mit über 11.000 Bewohnerinnen aus unterschiedlichen Kulturen entstanden. Die Jury sieht in diesem Projekt eine vorbildliche Verknüpfung der Nachhaltigkeitsziele und eine gute Übertragbarkeit in weitere Regionen.
2.Platz (7.000 Euro)
BEAT I Indimaj. Gesellschaft für Bildung und Soziales eV (Kassel)
Beim inklusiven und interkulturellen BEAT-Projekt geben Kasseler Jugendliche den Takt an. Musik machen, das Musik-Business kennenlernen und am Ende selbst bei #beatonstage auf der großen Bühne stehen – das steht hier auf dem Programm. Die Jugendlichen vernetzen sich und erleben Beteiligung, Erfahrung und Austausch im Team über Musik. Das Projekt steht allen interessierten Jugendlichen offen. Sie können sich ausprobieren, soziale Kontakte außerhalb des eigenen Stadtteils knüpfen und damit den Blick auf kulturelle Unterschiede und Lebensläufe schärfen. Hier steht das Soziale Miteinander im Mittelpunkt. Die Jury hält das Konzept für sehr durchdacht und sieht eine Besonderheit insbesondere im kreativen Einsatz Sozialer Medien, der vorbildlich für soziale Träger sein kann.
1.Platz (10.000 Euro)
Fahrradkurse für Frauen aus aller Welt I Bike Bridge e.V. (Frankfurt)
Fahrradfahren verbindet. Ein schönes Motto, das sich das Team von Bike Bridge ausgedacht hat. Hier engagieren sich mittlerweile 20 ehrenamtliche Trainerinnen in Frankfurt und organisieren Fahrradkurse für Frauen und Mädchen mit und ohne Migrations- und Fluchtgeschichte. Diese niedrigschwelligen Freizeitangebote schaffen Orte der Begegnung, des Austauschs und stärken den Zusammenhalt. Bei 6–8-wöchigen Fahrradkursen können Frauen das Fahrradfahren lernen. Zusätzlich werden Reparaturworkshops oder Trainingseinheiten angeboten. Die Frauen bekommen am Ende des Kurses gespendete Fahrräder geschenkt. Seit Anfang 2022 gibt es das 20-köpfige Trainerinnen-Team unterschiedlichster Herkünfte, das die Tätigkeit komplett ehrenamtlich und mit Herzblut ausübt. Der Jury hat dieses sozial-ökologische Projekt besonders gefallen, weil es bisher keinerlei solcher Angebote gibt (die Kombination aus nachhaltigem Gedanken und Brückenbau zwischen ganz unterschiedlichen Kulturen) und das Konzept sehr gut übertragbar ist. Das Angebot baut insbesondere neu angekommenen Frauen eine wunderbare Brücke in die Gesellschaft, Selbstwirksamkeit und Gesundheit werden gestärkt, Ungleichheit abgebaut und auch eine selbstbestimmte Mobilität ermöglicht. Die Teilnehmerinnen werden zudem selbst Trainerinnen, was auch wieder im wahrsten Sinne nachhaltig ist! Hier geht es um viel mehr als „nur“ Fahrradfahren: Hier ist eine Gemeinschaft entstanden – ein enges Miteinander.